Der Landeselternausschuss Berlin nimmt zur vorliegenden Anhörungsfassung wie folgt Stellung:

Danksagung

Wir bedanken uns bei allen an der Neuentwicklung des Rahmenlehrplanes beteiligten Personen und hier ganz speziell an den projektverantwortlichen Mitarbeiter_innen des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM).

Beteiligungsverfahren

Sehr positiv empfanden wir das breit angelegte Beteiligungsverfahren, auch wenn es nur sehr begrenzt die Möglichkeit zur konkreten Kommentierung und für die Übermittlung von Verbesserungsvorschlägen gab. Wir gehen davon aus, dass Rückmeldungen, die außerhalb der Online-Befragung eingegangen sind, ebenfalls Berücksichtigung finden.

Eine vollumfängliche Begutachtung des über 800 Seiten starken Gesamtwerkes im ehrenamtlichen Rahmen war schwer zu realisieren. Daher hätten wir es sehr begrüßt, einen Sitz in der Rahmenlehrplan-Kommission gehabt zu haben. Wir kritisieren die zu kurze Anhörungsphase und haben in einem Beschluss vom 13.02.2015 die Verschiebung der Anhörung und der Inkraftsetzung des neuen Rahmenlehrplanes gefordert. Diese Forderung erhalten wir aufrecht.

Positives

Wir begrüßen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Vielfalt und der Zukunftsorientierung des Berliner Schulsystems die in Teil B eingeführten Basiscurricula zur Sprach- und Medienbildung. Wir befürworten die übergreifenden Themen. Wir sehen hier in einigen Teilen noch Potential zur weiteren Entschlackung durch die Zusammenführung von Themen die sich konzeptionell überschneiden.

Kritisches

Folgende Punkte bewerten wir als besonders kritisch:

1. Benotung/Leistungsbewertung/Leistungsdokumentation

Der neue Rahmenlehrplan und die begleitenden Diskussion geben aktuell keine Auskunft über die künftige Leistungsfeststellung. Die Leistungsfeststellung ist zwar kein Bestandteil des neuen Rahmenlehrplanes, aber trotzdem ein Punkt, der vor der Einführung geklärt werden muss. So sollte vor dem Hintergrund der Inklusion die Frage der Nachteilsausgleiche geklärt werden. Wir sehen es besonders für die Gymnasien mit einer Klassenstärke von 32 und mehr als fragwürdig an, wie die Leistungen innerhalb des Niveaustufenmodells bewertet werden sollen. Für die Beurteilung des RLP wäre es sinnvoll gewesen, dass die Leistungsbewertung und Dokumentation von Anfang an mit bedacht und präsentiert worden wäre. Wenn die Schüler in den jeweiligen Doppeljahrgangstufen die Möglichkeit bekommen, sollen in ihren jeweiligen Niveaustufen und nach ihren Zeiterfordernissen zu lernen, dann ist die Frage wie zukünftig zum Beispiel die 4 Klassenarbeiten pro Schuljahr und Fach diesen unterschiedlichen Niveaustufen gerecht werden sollen und wie dann der Übergang in den Gymnasien zur Oberstufe stattfinden wird. Wir erwarten somit eine transparente Abbildung der Leistungsfeststellung und Bewertung im neu angedachten Niveaustufenmodell. Grundsätzlich eröffnet sich uns ein Widerspruch bei einheitlichen Bewertungskriterien vor dem Hintergrund der Inklusion und der individuellen Förderung aller Schüler_innen. Wir sind gespannt, wie dieser Widerspruch aufgelöst wird.

2. Vergleichbarkeit/Anschlussfähigkeit (auch beim Übergang zwischen altem und neuem RLP)

Der neue Rahmenlehrplan soll im Schuljahr 2015/2016 implementiert und im Schuljahr 2016/2017 unterrichtswirksam werden. Unserer Einschätzung und Erfahrung nach wird die Umsetzung des neuen Rahmenlehrplans in die schulinternen Curricula sehr zeit- und arbeitsintensiv sein. Vor dem Hintergrund der inhaltlichen Offenheit des neuen Rahmenlehrplans muss bei der Erstellung der schulinternen Curricula besonders darauf geachtet werden, dass aus dieser inhaltlichen Offenheit keine Beliebigkeit des thematischen Unterrichtes wird und somit eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Schulen und Schulformen weiterhin gewährleistet ist. Derzeit bleibt unklar, wie die Sicherung der Fachlichkeit bei den betreffenden Fächern in der Fläche der Berliner Schullandschaft sowie die inhaltliche Anschlussfähigkeit zwischen dem alten und dem neuen Rahmenlehrplan erfolgen soll. Daher fordern wir die sukzessive Einführung des neuen Rahmenlehrplans ab Klassenstufe 5 in durchwachsener Form.

3. Berücksichtigung der Staatlichen Europaschulen und des bilingualen Unterrichtes

In der Anhörungsfassung des neuen Rahmenlehrplans fehlt eine akzeptable Förderung der Mehrsprachigkeit von Schüler_innen. Die Förderung der Herkunftssprache von Schüler_innen muss gewährleistet bleiben.

4. Gesellschaftswissenschaften

Das neue Fach Gesellschaftswissenschaften, dass künftig in der 5. und 6. Klasse unterrichtet werden soll, fasst die bisherigen Fächer Geografie (Erdkunde) und Geschichte/Politische Bildung zusammen. Dieser Zusammenschluss erscheint auf den ersten Blick zweckmäßig.

5. Geschichte Klasse 7 und 8

Der Landeselternausschuss ist bei der Frage der Unterrichtsmethodik im Fach Geschichte in den Klassenstufen 7 und 8 geteilter Meinung. Weder die Umstellung, ausschließlich in Längsschnitten zu unterrichten, noch die Beibehaltung des aktuellen chronologischen Vorgehens findet im Gremium eine Mehrheit.

Notwendige Rahmenbedingungen für das Gelingen des neuen Rahmenlehrplanes

Folgende Bindungen müssen geschaffen bzw. ausgebaut werden, damit der neue Rahmenlehrplan erfolgreich umgesetzt werden kann und zu einem qualitativ hochwertigen Unterricht führt:

1. Ausbildung von Lehrkräften

Wir fordern, die Ausbildung von zukünftigen Lehrer_innen sofort an den neuen Rahmenlehrplan anzupassen.

2. Weiterbildung für Lehrkräfte

Wir fordern verpflichtende Fortbildungs-, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrer_innen für die Inhalte des neuen Rahmenlehrplanes. Die Anrechnungsstunden für Fort-und Weiterbildung in den Zumessungsrichtlinien sind zu erhöhen und die Haushaltstitel im Doppelhaushalt 2016/2017 zu verstärken.

3. Erfahrungsaustausch (Best-Practice) und freie Lern- und Lehrmaterialien (OER)

Wir fordern die bereits in der Entwicklung befindliche Einführung einer Plattform mit - auf inhaltliche Richtigkeit - geprüften, für alle frei zugängliche Lern- und Lehrmaterialien. Über diesen indirekten Erfahrungsaustausch hinaus fordern wir die Möglichkeit - zumindest für die Einführungsphase des neuen Rahmenlehrplanes, dass Lehrer_innen zusätzliche Zeit bekommen, sich gegenseitig im Unterricht zu hospitieren (Kollegiale Hospitation).

4. Öffentlich zugänglicher Rahmenlehrplan

Der neue Rahmenlehrplan muss am 01.08.2015 öffentlich zugänglich sein, damit die schulischen Gremien ausreichend Zeit für die Erstellung der schulinternen Curricula haben.

5. Moderne Ausstattung zur Medienbildung

Neben einem aktuellen Angebot an adäquaten Lernmitteln und der Nutzung von aktuellen Radio und Fernsehbeiträgen gehört auch eine moderne Ausstattung mit Hard- und Software zu einer erfolgreichen Umsetzung des Basiscurriculums Medienbildung. In diesem Zusammenhang müssen auch die Folgekosten für Wartung, Hardware-Modernisierung und für nötige Lizenzen für Software-Updates berücksichtigt werden.

6. Sach- und fachgerechte Bewertung nach Einführung des neuen Rahmenlehrplanes

Wir fordern eine Evaluation der praktischen Umsetzung des neuen Rahmenlehrplanes ab dem nachfolgenden Schuljahr der Einführung und später im zweijährigen Turnus. An der Evaluation sind die Landesgremien von Lehrern, Eltern und Schülern maßgeblich zu beteiligen.

Schlussbemerkung

Wir hoffen auf einen transparenten Auswertungsprozess der zahlreichen Rückmeldungen und auf eine nachvollziehbare Gegenüberstellung der Änderungen im Vergleich zur vorliegenden Version.

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