In der BEA-Sitzung am 12.03.2018 war das Hauptthema „Direkter Umgang mit Gewalt“ Im Vordergrund standen Fragen wie: Welche Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen gibt es und wie werden diese umgesetzt? Wie wird der „akute“ Umgang mit Gewalt in der Schule gehandhabt? Welche Verfahrensweisen gibt es bei polizeilichen Anzeigen? Wie sinnvoll sind Anzeigen hinsichtlich der Strafmündigkeit?

Alexandra Nerger (Präventionsbeauftragte der Polizeidirektion 6) berichtete über ihre Aufklärungsarbeit, welche hauptsächlich in den Schulen stattfindet und beginnt, bevor es zur Straffälligkeit der Schüler_innen kommt. Ihre Zielgruppe sind dabei Schüler_innen ab der 3. Klasse, da in der 1. und 2. Klasse zum Großteil das Verständnis noch fehlt. Die Tätigkeiten liegen dabei zum Beispiel in Anti-Gewalt-Veranstaltungen (z.B. was sind strafbare Handlungen), Themenbezogene Informations-Veranstaltungen (z.B. Drogenprävention, Cybermobbing, Waffenrecht u.a.), Teilnahme an Schulfesten mit einem Infostand (z.B. Fahrradparcour) und einiges mehr. Dabei hat sie als Präventionsbeauftragte immer die Erziehung statt einer Strafe vor Augen. 80% ihrer Arbeit findet direkt an den Schulen statt. Das vielfältige Angebot liegt allen Schulen vor.

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Die Präventionsbeauftragten unseres Bezirkes kommen auch zu Elternabenden. Kontakt:

  • Abschnitt 62 (Marzahn): Präventionsbeauftragter Gerd Boussel, Tel.: (030) 4664-662040
  • Abschnitt 63 (Hellersdorf) :Präventionsbeauftragter Torsten König, Tel.: (030) 4664-663040

Mit dem Präventionsangebot verfolgt die Polizei den Ansatz von „Erziehung statt Strafe“. Trotzdem wird u.a. auch das „Neuköllner Modell“ (https://www.berlin.de/sen/justva/_assets/neukoellner-modell.pdf) unterstützt. Die direkte Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendamt, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichten ermöglicht es jugendliche Straftäter_innen möglichst rasch nach einer Tat mit deren rechtlichen Folgen zu konfrontieren (Jugendgerichtsgesetz (JGG) § 76 Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens).

Der Diversions- und Jugendbeauftragte der Direktion 6, Volker Paul, erklärte zuerst, dass es seit 15 Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit der Schulen unseres Bezirks mit der Polizei Berlin gibt. Dabei melden Schulen Straftaten nach einem existierenden Notfallplan (https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/gewalt-und-notfaelle/) in drei unterschiedlichen Gefährdungsgraden:

  • Gefährdungsgrad I
    Beleidigung/Drohung/Tätlichkeit, Mobbing, Suchtmittelkonsum, Suizidäußerung und -ankündigung, Tod von Schulangehörigen
  • Gefährdungsgrad II
    Amokdrohung, Bedrohung, Gewalt auf Datenträgern, Gewalt in der Familie, Handel mit Suchtmitteln, Nötigung/Erpressung/Raub, schwere körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe, Suizidversuch, Übergriffe auf Schulpersonal, Vandalismus, verfassungsfeindliche Äußerungen, Waffenbesitz
  • Gefährdungsgrad III:
    Amoktat, Brandfall, Epidemie/Vergiftungen, Geiselnahme, Sprengsätze, Suizid/Tod in der Schule, Waffengebrauch

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Delikte wie einfache körperliche Auseinandersetzungen und Beleidigungen obliegen der Beurteilung der Schulen, da dies oft nur eine Rangelei aus einer Spielsituation heraus ist. Jeder gemeldete Gewaltvorfall an die Polizei zieht die Fertigung einer Strafanzeige mit Ermittlungen nach sich. Auch Eltern können (z. B. online unter https://www.internetwache-polizei-berlin.de/) eine Anzeige erstatten. Letztendlich werden solche Strafanzeigen zur Entscheidung an die Staatsanwaltschaft Berlin gesandt, auch wenn die Täter unter 14 Jahren strafunmündig sind. Die Abteilungen der Jugendstaatsanwaltschaft Berlin entscheidet dabei äußerst sensibel, egal ob Delikte unter Schüler_innen, gegen Lehrer_innen und auch durch Lehrer_innen erfolgt sind. Einmal erfolgte Strafanzeigen können nicht mehr aus dem polizeilichen EDV-System entfernt werden. Bei Antragsdelikten, wie Körperverletzung und Beleidigung, können Geschädigte auf die Stellung eines Strafantrages verzichten bzw. bekunden, dass sie an einer Weiterverfolgung der  Strafanzeige nicht interessiert sind. Bei fehlendem öffentlichem Interesse, stellt die Staatsanwaltschaft solche Verfahren mit großer Wahrscheinlichkeit ein.  Jugenddelikte werden nach der Fertigung von Strafanzeigen auf das bereits erwähnte „Neuköllner Modell“ geprüft, um eine schnellstmögliche erzieherische Maßnahme zu erwirken und so ein Abfallen in weiteres straffälliges Verhalten zu verhindern. Es erfolgt jedoch vorher immer die Prüfung eines Diversionsverfahrens. Auch hierbei liegt der Fokus eher auf der Erziehung statt der Strafe. Diversion kann einen sogenannten Tat-Ausgleich nach sich ziehen, d. h. eine solcher kann zum Beispiel durch Sozialstunden, Entschuldigungsschreiben oder einer anderen Wiedergutmachung stattfinden und zieht die Einstellung des Strafverfahrens nach einer solchen mit sich. Es gibt auch einen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), dieser ist aber an spezielle Formvorschriften gebunden und deshalb zeitintensiver. Die Staatsanwaltschaft regt einen TOA bei komplexeren Sachverhalten an.

Nach einer anregenden Fragerunde an den/die Vertreter_in der Polizeidirektion 6 stellten uns die die kommissarische Leiterin des Grundschulteils der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule, Frau Gabriel und die Schulleiterin der Pusteblume-Grundschule, Frau Winterberg zwei unterschiedliche Verfahrensweisen zu ihren Schulen vor. So schilderte Frau Gabriel, dass es wichtig ist an die Schulgemeinschaft das Signal zu setzen, dass man sich kümmert. Hier werden u.a. die finanziellen Mittel aus dem Bonusprogramm der Schule für Präventionsmaßnahmen, u. a. zur Anschaffung des großen Materialkoffers „Faustlos“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Faustlos) genutzt. Aus anderen Mitteln wurden Lehrkräfte im „PART-Training“ (https://www.parttraining.de/part-training/) geschult. Wenn ein Gewaltvorfall geschieht muss dies ernst genommen werden, es werden Gespräche zum Einordnen der erfolgten Gewalt geführt und die zu fällende Entscheidung zum Umgang mit der Gewalt muss vom gesamtem Kollegium getragen werden. Beschlossene Maßnahmen müssen erzieherischen Wert zur Vermeidung neuer Gewaltvorfälle haben. Man hält auch direkten Kontakt zur Polizei Berlin und holt sich Beratung und Unterstützung in konkreten Fällen. Aber auch die direkte Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, der Schulsozialarbeit und ggf. auch den Schulpsycholog_innen ist sehr wichtig. Die Schüler_innen selbst werden zu Streitschlichter_innen ausgebildet und es wurde ein Klassenrat eingerichtet. Zusätzlich werden immer die Eltern der betroffenen Schüler miteinbezogen. Alle 14 Tage sind Therapiehunde anwesend. Diese Schritte haben die Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule auf einen guten Weg gebracht.

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Frau Winterberg von der Pusteblume Grundschule verweist auf den Unterschied von Konflikt und Gewalt. Lehrer_innen müssen Schüler_innen ernst nehmen und einheitlich behandeln. Wichtig und nicht zu vernachlässigen sind dabei auch die Eltern, welche ja das Beste für ihr eigenes Kind wollen. Dabei kann man die Eltern in ihren Erziehungskompetenzen stärken. In regelmäßigen Gesprächen mit den Eltern betroffener Schüler_innen werden Erziehungsziele festgelegt. Man bietet Elterntraining und Elterncafés für den Austausch an. Auch wurde ein Familienklassenzimmer eingerichtet. Für die Thematik Mobbing wurde eine Anti-Mobbing-Fibel (http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/themen/gewaltpraevention/mobbing/anti-mobbing-fibel/) mit viel themenbezogenem Material zur Verwendung der Lehrkräfte vorgestellt. Kein Programm funktioniert ohne Schulung des Personals. Man sollte die Möglichkeit der Wiedergutmachung ermöglichen und Opfern Kompetenzen geben nicht erneut Opfer zu werden. Suspendierungen vom Unterricht sollte die letzte mögliche Maßnahme bleiben, da die Kids zu Hause nur rumsitzen und aus ihrer Sicht für das Fehlverhalten durch offiziellen Schulausfall belohnt werden.

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Anschließend betonten Frau Gabriel und Frau Winterberg einstimmig und vehement, dass kein Kind gewalttätig auf die Welt kommt.

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